Rechtschreibfehler verbessern oder loben?


Gestellt von Gudrun mit ihrer Tochter (6 Jahre)


Hallo Diana!


Ich bin sehr beeindruckt von Deinen Impulsen und Anregungen....danke schon jetzt für Deine Antwort! 

 

Meine Tochter geht noch nicht zur Schule. Sie schreibt seit ein paar Monaten z.T. auch komplizierte Wörter nach ihrem Gehör. Ich finde das sehr faszinierend und freue mich immer drüber. Z.B. lädt sie mich und ihren Papa zum Zirkus ins Kinderzimmer und stellt Sparbüchsen auf, mit der Aufschrift “FREIWILIGESCHBENTE“. 

 

Wir finden das ganz toll und können auch immer verstehen, was sie meint. Sie will dann aber wissen, ob es wirklich richtig geschrieben ist und drängt uns, ihr Fehler zu sagen. 


Wir machen das ungern, versuchen dann aber doch ein wenig zur Rechtschreibung zu erklären, finden die Antworten aber dennoch zu anspruchsvoll für sie. Und sie ist dann enttäuscht, dass sie's nicht richtig gemacht hat. 

 

Was meinst Du? Wie sollen wir damit umgehen? Wie können wir ihre grossartige Freude am Schreiben fördern? 

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie am Üben einfacher Silben Spass hat, sie will “echte“ Wörter schreiben. Was rätst Du uns? Oder sollen wir einfach auf die Schule warten, die beginnt im September! 

 

Danke schon jetzt, wir sind neugierig auf Deine Antwort! 

 

LG Gudrun aus Österreich


Antwort:

Liebe Gudrun,

 

vielen Dank für deine Nachricht.

 

Es ist wirklich schön zu lesen, wie groß das Interesse deiner Tochter am Schreiben ist.

 

Und du hast natürlich vollkommen recht, diese ersten Schreibversuche will man nicht kaputtmachen.

 

Doch wie nun richtig vorgehen, damit deine Tochter Wörter nicht dauerhaft falsch schreibt?

 

Das fragen sich berechtigterweise viele Eltern. Insbesondere die, deren Kind in der Schule nach der Methode „Lesen durch Schreiben“ lernen.

 

Grundsätzlich sollte man nach der Strategie „Zone der nächsten Entwicklung“ vorgehen.

 


Wie würdest du antworten?

So:

„Mama, habe ich das richtig geschrieben?“

Deine Antwort:

 

„Ja mein Kind. Das ist ja ganz nett geschrieben. Doch schau mal. Du hast nur Großbuchstaben verwendet und hier und dort - das ist falsch geschrieben.

 

Und zieh dir beim nächsten Mal doch bitte mit Bleistift und Lineal eine Linie und schreibe gerade auf dieser.“

 

Wenn du willst, dass dein Kind nicht einen Tag länger gerne schreibt, dann kannst du so oder ähnlich vorgehen.

 

Doch wo nun ansetzen? Deine Tochter zeigt bei ihren ersten Schreibversuchen bereits ein Interesse an der richtigen Schreibweise und dieses solltest du auch nicht ignorieren.

 

Oder so:

„Mama, habe ich das richtig geschrieben?“

Deine Antwort:

 

„Das hast du großartig gemacht. Ich kann lesen, was du uns aufgeschrieben hast. Bald wirst du uns bestimmt ganze Briefe schreiben. Da freu ich mich schon drauf. Wenn du es möchtest, kann ich dir zeigen, wie es in der Erwachsenenschrift geschrieben wird.“

 

Wenn sie es möchte, dann schreibst du ihr das Wort in Großbuchstaben auf. Daran kannst du ihr dann zeigen, wie viele Buchstaben sie schon richtig aufgeschrieben hat. Mach ihr auch ganz klar, dass sie das Wort jetzt noch nicht richtig schreiben können muss und dass das auch noch gar nicht möglich ist.

 

Du kannst ihr zeigen, welche Fortschritte sie gemacht hat. Solche Schriftstücke von deiner Tochter kannst du aufheben und ihr zeigen, was sie noch vor ein paar Monaten konnte und wie toll sie sich nun schon entwickelt hat. 

 

Wenn Luanne am Wochenende Mittagsschlaf macht, sitze ich eigentlich immer am Computer. Wenn sie dann aufsteht und mich sieht, hüpft sie auf meinen Schoß und möchte auch gerne schreiben. 

 

Ich habe sie dann auch gelassen und hatte angefangen, ihr ein eigenes Dokument am Computer anzulegen, indem sie immer schreibt. Da notiere ich mir dann das aktuelle Datum dazu und wir können so im Laufe der Zeit die Veränderung und Entwicklung beobachten

 

Das muss nun nicht am Computer sein, aber sammle die Schriftstücke deiner Tochter, versehe sie mit dem Erstellungsdatum und zeige ihr immer wieder, auf welch gutem Weg der Entwicklung sie ist und wie stolz du darüber bist.

 

Für deine Tochter würde ich dir 2 Möglichkeiten vorschlagen, wie ihr ganz unverbindlich neben der Schule bereits jetzt ansetzen könnt:

 

Möglichkeit 1

Zeige deiner Tochter auch die kleinen Buchstaben. Sie kennt bereits viele. Wendet sie die kleinen Buchstaben bereits aktiv beim Schreiben an?

 

Ich schick dir mal hier meine Anlautübersicht mit. Da findest du zu jedem großen auch den kleinen Buchstaben zu den entsprechenden Lauten.

Anlautübersicht

 

So könntest du deine Tochter dazu anregen, Wörter, die sie schreibt, auch mal mit den kleinen Buchstaben zu schreiben. Das wird eine neue Herausforderung für sie sein.

 

Doch vielleicht ist sie auch zu sehr darauf versteift, alle Wörter richtig zu schreiben. Dann wäre Möglichkeit zwei eine Wahl.

 

Möglichkeit 2

Ich sprach ja bereits von der Zone der nächsten Entwicklung. Bei dieser kannst du aktiv bei den ersten Schreibversuchen ansetzen. Das deiner Tochter erklären. Dann kann sie ihre Wörter daraufhin untersuchen.

 

Um die Rechtschreibphänomene zu erklären, ist es zu diesem Zeitpunkt für deine Tochter noch zu früh.

 

Du kannst damit beginnen, das Wort in seine Silbenbausteine zu zerlegen. 

 

Das ist die Basis, an der du ihr deutlich machst, dass in jeder Silbe ein Selbstlaut (Vokal) vorkommt.

 

Hier zeige ich dir mal eine Übersicht der häufigen Selbstlaute. 

 

Wichtig ist, dass es dabei betonte und unbetonte Selbstlaute gibt. Das ist ganz besonders wichtig beim E. Das E kann betont gesprochen werden, wie beim Wort Esel und unbetont, wie beim Wort Ente. Hörst du, wie unterschiedlich das E am Wortanfang klingt?

 

Mithilfe der Übersicht der Selbstlaute kann deine Tochter ihre geschriebenen Wörter selbst kontrollieren. Welchen Selbstlaut höre ich in den einzelnen Silben und habe ich diesen auch aufgeschrieben.

 

Das könnt ihr auch schon vor Schulbeginn thematisieren und so eurer Tochter die Möglichkeit geben, selbst über ihr geschriebenes zu reflektieren.

 

Mit diesen zwei Möglichkeiten setzt du genau da an, wo dein Kind aktuell steht, was sie auch inhaltlich schon greifen kann und ihr ein erweitertes Sprachgefühl geben wird.

 

Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen geben. Sei in erster Linie stolz auf deine Tochter. Es ist großartig, was sie jetzt vor der Schule schon schafft.

 

Liebe Grüße

Diana